Authors
Johannes W. Dietrich Bernhard O. Böhm
Abstract
Einleitung
Regelkreise gehören zu den essentiellen biologischen Wirkungsgefügen. Sie bilden eine wesentliche Voraussetzung des Lebens. Das Verhältnis zwischen Struktur und Verhalten biologischer Regelkreise wurde bisher meist in Form linearer zeitinvarianter Modelle beschrieben, die den Besonderheiten lebender Systeme allerdings nicht gerecht werden. Es überrascht daher kaum, dass diese LTI-Modelle wenig zur Erklärung biologischer Phänomene oder zur Diagnostik in der Medizin beitragen konnten. Der Entwicklung realistischerer nichtlinearer Modelle steht allerdings neben der komplexeren mathematischen Formulierung die Tatsache entgegen, dass Elemente und Signale biologischer Regelkreise auf sehr unterschiedliche Weise realisiert sind.
Methoden
Ausgehend von Anforderungen in der Endokrinologie wurde ein Metamodell entwickelt, dessen Elemente auf empirisch gesicherte biochemische und physiologische Daten abgebildet werden können.
Grundelemente dieses Ansatzes sind (1) die Koppelung der Konzentration einer Substanz an Verteilungs- und Eliminationsprozesse sowie deren Modellierung in Form analoger Signalspeicher mit innerem Ausgleich (ASIA-Elemente), (2) Sättigungskinetiken auf der Grundlage des Michaelis-Menten-Hill-Formalismus für die Darstellung enzymatischer Prozesse oder von Signaltransduktionspfaden sowie (3) nichtkompetitive Hemmungen für die Beschreibung negativer Rückkoppelungen.
ASIA-Elemente beschreiben die äquifinale Konzentration einer Substanz mit y(inf) = alpha * x(inf) / beta in Abhängigkeit von einer Eingangsgröße x(inf), dem Kehrwert des scheinbaren Verteilungsvolumens (alpha = 1 / VD) und dem Clearance-Exponenten, der mit beta = ln(2) / HWZ von der Halbwertszeit der Substanz abhängt. Mit Hilfe von Exponentialfunktionen kann das Übergangsverhalten von ASIA-Elementen beschrieben werden.
Michaelis-Menten-Kinetiken charakterisieren die nichtlineare Abhängigkeit einer Ausgangsgröße y(t) von einem Eingangssignal x(t) mit y(t) = G * x(t) / (D + x(t)), wobei G für die Maximalantwort und D für die Halbmaximalitätskonstante steht. Außer für enzymatische Prozesse sind sie auch für die Modellierung von rezeptorvermittelten Signaltransduktionsprozessen geeignet.
Mit Hilfe einer nichtkompetitiven Hemmung kann schließlich die Wirkung eines stimulierenden (x1(t)) und eines hemmenden (x2(t)) Eingangssignals mit y(t) = G * x1(t) / ((D + x1(t)) * (1 + x2(t) / KI)) modelliert werden (KI: Dissoziationskonstante).
In Ergänzung zur mathematischen Formulierung wurde deses Modell simulativ in Form einer Klassenbibliothek für die Sprachen Object Pascal und S umgesetzt. Darüber hinaus wurde eine vereinfachte Version für Matlab-kompatible Sprachen entworfen.
Ergebnisse
Die beschriebenen Elemente können zu einem geschlossenen Formalismus (MiMe-NoCoDI-Modell) gekoppelt werden, der mathematisch als quadratische Gleichung abgebildet werden kann und auch ohne großen Aufwand als Computersimulation ausgeführt werden kann. Bei k parallelen Regelkreise erweitert sich die Darstellung auf Gleichungen vom Grade k + 1.
Diese Plattform kann eine große Zahl unterschiedlicher Regelkreise, beispielsweise in der Endokrinologie, der Biochemie oder der Neurophysiologie beschreiben. Das Modell wurde erfolgreich auf die Insulin-Glukose-Homöostase, den Hypophysen-Schilddrüsen-Regelkreis und die Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse angewandt.
Die ergänzende Klassenbibliothek erlaubt den flexiblen Einsatz des Modells für unterschiedliche Simulationsaufgaben. Ein GUI-basiertes didaktisch orientiertes Demonstrationsmodell steht für verbreitete Betriebssystems (Linux, Mac OS X und Windows) zur Verfügung.
Diskussion
Die MiMe-NoCoDI-Plattform integriert biochemische, pharmakologische und kybernetische Methoden in eine vereinheitlichte Repräsentation geschlossener Regelkreise in den Lebenswissenschaften. Die Abbildung auf biochemische und zellbiologische Grunddaten gestattet nicht nur die rasche Parametrisierung für eine Vielzahl biologischer Wirkungsgefüge, sondern auch die vertikale Translation von der molekularen Ebene zu der des Gesamtorganismus.
Erstmals steht hiermit ein mathematischer Ansatz zur Charakterisierung einer wichtigen Klasse biologischer Wirkungsgefüge zur Verfügung. Die Methodologie setzt allerdings der Anzahl parallel geschalteter Regelkreise Grenzen, da sich Gleichungen fünften oder höheren Grades nicht mehr direkt lösen lassen.
References
Dietrich JW, Tesche A, Pickardt CR, Mitzdorf U (2004). Thyrotropic Feedback Control: Evidence for an Additional Ultrashort Feedback Loop from Fractal Analysis. Cybernetics and Systems 35:315-331.
Dietrich, J. W. und B. O. Boehm (2006). Equilibrium behaviour of feedback-coupled physiological saturation kinetics. In: Cybernetics and Systems 2006. R. Trappl (Hrsg). Vienna, Austrian Society for Cybernetic Studies. 1: 269-74.
DiStefano, J (2014). Dynamic Systems Biology Modeling and Simulation. Academic Press, London, Waltham, San Diego
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Johannes W. Dietrich
Adjunct Professor | Medical Faculty, Ruhr University Bochum
Also:
- Elected member | Leibniz Society of Sciences
- Member | Center for Thyroid Medicine Ruhr University Bochum
- Head | Zentrum für Diabetes-Technologie (ZDT) Blankenstein Hospital
- Head | Zentrum für seltene endokrine Erkrankungen / Centre for Rare Endocrine Diseases Ruhr University Bochum
- Head | Diabetes Centre Bochum/Hattingen Blankenstein Hospital
- Head | Sektion Diabetologie, Endokrinologie und Stoffwechsel Ruhr University Bochum
- Collaborator | CeSER - Centrum für Seltene Erkrankungen (ZSE) der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Witten-Herdecke Ruhr University Bochum
- Medical Advisor | Thyroid UK
- Clinical cooperation partner and statistical advisor | KreLo Medical Diagnostics
- Cofounder, Shareholder | INSTRUCT AG