Authors
Johannes W. Dietrich
Abstract
Die Plasma-Konzentrationen fast aller Hormone werden von teils komplexen Regelkreisen konstant gehalten. Da Sollwerte und Strukturparmeter der Regelkreise meist in erheblichem Ausmaße genetisch bestimmt sind, ist die intraindividuelle Variabilität der Hormonkonzentration meist geringer als die interindividuelle Variabilität. Im Falle von Folgereglern oder bei pulsatiler Sekretion kann die intraindividuelle Variabiltät ausnahmsweise auch größer sein. In jedem Falle ergibt sich daraus die diagnostische Konsequenz, dass klassische Referenzbereiche, die als 95%-Toleranzintervalle definiert sind, in der Endokrinologie nur mit Einschränkung anwendbar sind.
Dies könnte ein wesentlicher Grund für die reduzierte Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen sein. In 5 bis 10% der Fälle einer substituierten Hypothyreose, in denen eine Therapie mit Levothyroxin erfolgt und ein normaler TSH-Spiegel eine hinreichende Substitution suggeriert, klagen die Betroffenen dennoch über charakteristische und wiederkehrende Beschwerden wie Müdigkeit, Depression und Palpitationen.
Aus theoretischen Erwägungen erscheint es daher sinnvoll, als Therapieziel nicht mehr den breiten Referenzbereich des TSH-Spiegels sondern den Set-Point, d. h. den individuellen Gleichgewichtspunkt des Regelkreises heranzuziehen. Bislang war das jedoch nicht umsetzbar, da im Falle einer Hypothyreose, also eines aufgetrennten Regelkreises, der ursprüngliche Set-Point unbekannt ist.
Zwei neue Berechnungsverfahren, die auf einer systembiologischen Theorie der Schilddrüsenhomöostase aufbauen, erlauben es nun, konstante Strukturparameter und den Set-Point auch am aufgetrennten Regelkreis zu rekonstruieren. In Studien konnte gezeigt werden, dass damit Parameter wie die Sekretionsleistung der Schilddrüse mit einer hohen Reliabilität ermittelt werden können. Meist kann auch der wahre Set-Point des Regelkreises rekonstruiert werden, wobei die Streuung weniger als 50% der des univariaten TSH- oder FT4-Spiegels ausmacht.
Zusammenfassend ist es mit fortschrittlichen systembiologischen Methoden möglich, die individuelle Sensitivität der Diagnostik wesentlich zu verbessern und damit den Weg zu einer personalisierten Endokrinologie zu ebnen. Im Rahmen des Vortrags sollen diese Methoden im Detail und die Ergebnisse erster Studien vorgestellt werden.
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Johannes W. Dietrich
Adjunct Professor | Medical Faculty, Ruhr University Bochum
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- Elected member | Leibniz Society of Sciences
- Member | Center for Thyroid Medicine Ruhr University Bochum
- Head | Zentrum für Diabetes-Technologie (ZDT) Blankenstein Hospital
- Head | Zentrum für seltene endokrine Erkrankungen / Centre for Rare Endocrine Diseases Ruhr University Bochum
- Head | Diabetes Centre Bochum/Hattingen Blankenstein Hospital
- Head | Sektion Diabetologie, Endokrinologie und Stoffwechsel Ruhr University Bochum
- Collaborator | CeSER - Centrum für Seltene Erkrankungen (ZSE) der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Witten-Herdecke Ruhr University Bochum
- Medical Advisor | Thyroid UK
- Clinical cooperation partner and statistical advisor | KreLo Medical Diagnostics
- Cofounder, Shareholder | INSTRUCT AG